Wie nehmt ihr das wahr?
Hab ich nicht so wahrgenommen. Die meisten scheinen zufällig in dieses Lebenskonzept gefallen zu sein. Oft ist es auch ein längerer Prozess, sich selbst einzugestehen, mehre Partner lieben zu können und auch zu wollen. Wenn dies der Fall ist, wird es einem normalerweise immer wieder im Leben passieren, dass man sich trotz vorhandener Beziehungen in jemanden anderen verliebt bzw. Liebe entsteht.
Ich z.B. verliebe mich sehr schnell, wenn mir jemand nahe kommt. Vermutlich auch, weil mir das Gefühl so gut gefällt. Schmetterlinge, überall Schmetterlinge ...
Und was bedeutet Polymory in der Hinsicht für euch? Ist es einfach ein (Bewusst-)Sein, das man in sich trägt, egal ob man nur einen oder auch gar keinen Partner hat, und das nicht zu einer aktiven oder latenten Suche führt?
Ja, es ist ein Bewusstsein in mir. Ich suche nie, aber dennoch werden mir immer wieder Menschen über den Weg laufen, die mir plötzlich nahe kommen und bei denen eben genau jenes spezielle Gefühl ausgelöst wird.
Rückblickend betrachtet, ist mir dies bereits mit 17 aufgefallen. Bei meinem ersten Freund und dennoch war da dieser andere, bei dem es klickte. Damals hab ich dem noch nicht nachgegeben, hab mich selbst infrage gestellt, weil die Welt einen schließlich suggeriert, dass so etwas falsch wäre. Monogamie und so. Mittlerweile sehe ich das anders. Ich kann mehrere Menschen gleichzeitig lieben und ich möchte die Freiheit haben, dies auch ausleben zu können.
Oder ist es ein Gefühl von Unvollständig-Sein, wenn nicht (mindestens) ein weiterere Partner die Beziehung zu einem Geflecht erweitert, so dass ihr auf einer permanenten, mehr oder weniger aktive Suche seid nach dem "weiteren"?
Unvollständig fühle ich mich nur, wenn ich mich unfrei in meinem Bedürfnissen und meinen entstehenden Empfindungen fühle. Mit einem Mono-Partner kann der Weg in die Freiheit nun einmal ein sehr langer sein.
Aber immerhin akzeptiert er mittlerweile, dass ich bisweilen Gefühle für andere entwickle.
Vielleicht kommt mir dieses Suchen, was ich so oft wahrnehme, auch daher so vor, weil so manche(r) Polyamory doch eher als eine emotional etwas feinsinnigere und tiefgründigere Form einer offenen Beziehung versteht, um schlichtweg der Lust nach Abwechslung von einer Beziehung oder der Lust auf Sex mit verschiedenen Partnern zu frönen...
Das manch einer Poly und offene Beziehung in einen Topf wirft und dann zusätzlich vielleicht noch beides mit sexueller Freizügigkeit gleichsetzt, wird wohl immer so sein.
Es ist allerdings nicht mein Verständnis von Poly. Poly bedeutet mehrere Menschen lieben, mit denen man eventuell auch Sex hat. Einigen ist letzteres auch gar nicht besonders wichtig. Liebe und Sex können sich vereinen, müssen sie aber nicht. Poly bezieht sich erst einmal lediglich auf das Fühlen und erst danach auf den sexuellen Aspekt.
Von daher: wer Polyamory als Freischein zum wilden Herumvögeln betrachtet, hat das Lebenskonzept wohl nicht so wirklich verstanden.