Ist die Entscheidung, wie wir Liebe und Partnerschaft leben, nicht immer - erstmal - einer Prägung, der Erziehung und einer gesellschaftlichen Normierung "zu verdanken"?
Neigung wäre für mich die Art der Sexualität, d.h. zu WEM wir uns hingezogen fühlen, ob wir schwul bzw. lesbisch, bi- oder heterosexuell sind.
Das ist somit das, worauf Erziehung keinen Einfluss hat.
Die Frage scheint zu sein, ob polyamores Fühlen durch eine bewusste Entscheidung besteht, oder dem zweiten Bereich - der Neigung - zugeordnet werden kann.
Ich denke persönlich, dass es eine Neigung ist und glaube auch, dass die meisten Menschen diese haben.
Liebe frei auszuleben wird in unserer Gesellschaft aber nicht akzeptiert. Der Großteil äußert sicher Unverständnis und moralische Bedenken.
Das wiederum liegt vielleicht daran, dass auch die "Exklusiv-Rechte" an dem Menschen, mit dem man in einer Beziehung lebt, von Kindesbeinen mitvermittelt werden.
Und - nicht zuletzt ist "Ehebruch" bereits in der Bibel als Sünde bewertet.
Wir müssen nicht besonders gläubig und auch nicht konform mit diesem gesellschaftlichen Bild sein, um dennoch diese "Werte" tief in uns verankert zu haben.
Wäre das, was uns vermittelt wurde, auch die Neigung der Menschen, so gäbe es weder Untreue, noch dieses Wort, was sie beschreibt. Wir hätten DEN einen Partner, keine weiteren Sehnsüchte und es gäbe weder diese Gruppe, noch den JC.
Die Film- und Musikindustrie hätte kein Thema Nr. 1 und auch das horizontale Gewerbe wäre völlig anders definiert.
Das dem nun mal GANZ anders ist, deutet darauf hin, dass Poyamorie eine völlig normale, menschliche Neigung ist, die sich - aller Prägung zum trotz - durchsetzen KANN, aber nicht muss.
Sie bekommt die Chance ja nur dann, wenn der Mensch in seinem Leben Gegebenheiten und Emotionen eigenständig zu reflektieren in der Lage ist. Um dies zu tun - um zu hinterfragen - muss ein Mensch ja erstmal in dieses "Gefühls-Chaos" hineinkommen und es muss dann SO stark sein, dass bestehende Strukturen hinterfragt werden können.
Niemand hinterfragt das Warum ohne Anlass - ohne treibende Kraft.
Lange Rede - kurzer Sinn
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Ich vermute mal ganz stark, dass jeder Mensch erstmal poly tickt und uns das nur "aberzogen" wurde - in vielen Jahren und nicht zuletzt im Sinne der Religionen.
Das Wollen von Exklusivität ist aber was nochmal anderes. Daran erkennt man die besonders tiefe Verankerung der gesellschaftlichen, normierten Sichtweise.
Unser Kopf kann uns leichter was anderes sagen - zu abweichenden Erkenntnissen kommen.
Unser Fühlen von Liebe zu mehr als "dem/der Einen" kann diesen "Verdacht" auch bestätigen und trotzdem zeigen uns erstmal Eifersucht und Verlustängste die Tiefe des Hineingeimpften.
Daran zeigt sich dann auch, ob wir in der Lage sind, wirklich polyamor zu leben, oder - ob wir zum "Opfer" eines seit Generationen gepredigten Moral-Verständnisses wurden, dem wir uns ggf. nicht widersetzen können.
Vor längerer Zeit las ich mal einen Bericht über Poly und IQ.
Scheint tatsächlich - wie dort beschrieben wurde - in Zusammenhang zu stehen, was alleine das Hinterfragen von Strukturen betrifft.
Na klasse!
Hilft aber nix!
Zum Gelingen solcher Verbindungen müssen wir vertrauen und auch das wurde uns weitestgehend aberzogen.
Wir müssen uns durchsetzen und behaupten und in diese besitzhungrige Struktur passt Polyamorie nun auch nicht wirklich, denn der andere bekommt ja gewisse Freiheiten, man vertraut und glaubt...
Da zweifelt dann der Mensch, der seinen Neigungen folgt und der, der "gut sozialisiert" wurde, ist gezwungen, zu lügen?
Man ist soweit, ehr an seiner Intuition zu zweifeln, als an Normen.
Ist das - krass ausgedrückt - eine Form von "Gehirnwäsche" und Verleugnung menschlicher Emotionen seit Generationen?
Wurde Neigungen "verstümmelt" , um eine - auch "religion-konforme" - Masse zu bekommen, die - weniger frei - leichter lenkbar ist?
Ich persönlich finde diesen Verdacht sehr nahe liegend.
Und stelle abschließend fest:
Bei mir hat es gewirkt!