Ich kann gut nachvollziehen, was Micha meint.
Als ich vor 3 Jahren meinen Partner (hier im JC) kennenlernte, war ich in der Situation, ihm mein polyamores Fühlen und mein Leben in den Jahren vor dieser Partnerschaft erklären zu wollen.
Einem Menschen, der immer monogam lebte und von sich sagt, dass er auch monoamor fühlt zu erklären, dass die eigene Gefühlswelt anders ist, ist nicht leicht.
Schnell stößt man auf Unverständnis - wenigstens erstmal - und ich persönlich fand mich in einer Art "Verteidigungshaltung" wieder. Das auch deshalb, weil wir uns eben HIER im JC begegneten und er begann in der Poly-Gruppe zu lesen. Dieses Lesen war überhaupt nicht hilfreich, um ihm MEINE Sicht auf Poly zu vermitteln. Klar, ist die Welt bunt, aber das, was er überwiegend hier las, hatte tatsächlich eher mit dem Ausleben sexueller Bedürfnisse zu mehr als einem Menschen zu tun, als mit der Schilderung von Liebesbeziehungen zu mehreren Partnern.
Wie beschrieben, fühlte ich mich in diese "Verteidigungshaltung" und sagte Sätze wie:
"Liebe bedeutet nicht unbedingt das Ausleben von Sexualität." oder "Liebe ist eben MEHR" und und und...
Denke ich genauer darüber nach und höre wirklich in mich hinein, muss ich meine Aussagen tatsächlich hinterfragen, denn das stimmt ja - wie Vieles - nur halb.
Niemanden würde es doch stören - oder überhaupt interessieren - wenn ich mehr als einen Menschen liebe und der oft gewählte Vergleich, dass man auch Liebe zu mehreren Kindern etc. empfinden kann, ohne eins weniger zu lieben... - der Vergleich hinkt doch, was Polyamorie betrifft, wie ich es empfinde.
Zum "Problem" für die Nicht-poly-Welt wird es doch nur dann, wenn aus Fühlen sexuelles Verlangen wird.
Wenn ich das Gefühl von Liebe zu einem weiteren Mann spüre, sexuelle Wünsche aber unterdrücke und somit diese Gefühle exklusiv ausschließlich in EINER Partnerschaft lebe, so juckt mein Fühlen doch niemanden.
Schwer wird es, wenn ich emotionale Nähe auch körperlich erfahren möchte. DAMIT hat ein monoamor fühlender Partner Probleme.
Jetzt mag der Ein, oder Andere sagen:
"Ja, aber Swinger fühlen ja auch oft monoamor und trennen Sexualität und Liebe - schließen Letzteres sogar als No go aus....".
Das mag sein und diese sexuell geteilte Vorliebe hat - wie erwähnt - eben NICHTS damit zu tun, eine "Konkurrenz" für die Exklusivität dessen zu fürchten, was diese Partner wollen und vereinbart haben. Schwer ist es immer dann, wenn "Konkurrenz" empfunden wird... Eifersucht... Verlustangst... Bei Absprachen ist das (wahrscheinlich) so, dass man sich "sicher" fühlt. Eine weitere Liebe, in der dann auch Sexualität gelebt wird, wird für einen nicht polyamor Fühlenden aber als "Fremdgehen" bewertet. Sozialisation... Erziehung...
Sind wir aber im polyamoren Fühlen wirklich SOLCHE
, dass wir sagen können: "Sexualität ist in der Polyamorie - "in tiefer Liebe" - zweitrangig?
Sehe ich nicht so.
Gerade diese Sehnsucht nach einem LEBEN der Gefühle - diese Sehnsucht nach tatsächlicher Verbindung, die empfunden wird - macht Poly doch zum Thema.
Ist das nicht das, was hier i der Gruppe verbindet?
Z.B. die Vielfalt, die sich bieten KANN, wenn man unterschiedliche Bereiche, Wünsche und Bedürfnisse auch mit unterschiedlichen Menschen in Ehrlichkeit leben kann.
Ist es nicht das, was eben AUCH - wenn nicht hauptsächlich - dahintersteckt?
In monogamen Beziehungen "schmeißt" man alles auf den Einen - Erwartungen, Sehnsüchte, aber auch den Wunsch nach sexueller Befriedigung.
Hat dieser Jemand - oder auch umgekehrt - weniger Lust, oder andere Wünsche, muss sich der Partner in seinem Wollen zurücknehmen, denn... man kann das, was man gerne hätte, eben NICHT bei wem Anderen (aus-)leben.
Jetzt könnte der monoamor fühlende Mensch sagen:
"Na siehste... Ist eben DOCH nur ein Alibi für sexuelle Freiheit."
ICH frage mich inzwischen: "Ja, und wenn?"
Was ist so falsch daran, wenn Liebe zu einem weiteren Menschen gekoppelt ist an dann mögliche Sexuelle Vielfalt?
Was ist falsch daran, wenn ein Mensch, der ggf. BDSM, Bisexualität etc. mit dem einen Partner nicht ausleben kann, diese Erfüllung aber in Liebe (eben PolyAMORIE) bei wem Weiteren findet? Würde man nicht IRGENDETWAS bei/an wem Weiteren finden, so wäre da doch gar kein sexuelles Verlangen.
Polyamorie braucht m.E.n. weder " 'nen Heiligenschein"
, um "unverdorben"
sexuelle Wünsche in eine Art "eheähnliche"/verbindliche "Verpackung" zu befördern (das hat sie doch gar nicht nötig!) und ist für mich auch keine Art irgendeiner "Weilterentwicklung auf eine besondere Stufe von Miteinander".
Polyamore Verbindung ist beiweiten mehr, als ein sexuelles Abenteuer. Es ist - wie das Wort schon sagt - LIEBE. Und diese kann - wenn sich die Menschen einig sind, die sie leben - so vielfältig und bunt sein, wie die Menschen es sind, die sie spüren.