Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.
Diese Weisheit aus Omas Zeiten mag platt daherkommen.Und evtl. wirkt sie auch rücksichtslos.
In unserer Lesart ein messerscharfes Jein.
In dem Falle, in dem wir alle gut Kenntnis unserer eigenen Bedürfnisse haben, über ausgereifte Bedürfniskommunikation in Richtung unserer Lieblingsmenschen verfügen und diese wiederum in der Lage sind, uns mit den richtigen Ohren (nämlich ohne Scham- und Schuldzuweisungsfilter) zu hören, paßt diese Weisheit durchaus.
Wichtig ist unserer Meinung nach, daß man sich bei Polyamorie der Tatsache stets bewußt ist, daß man aber eben nicht "einsamer Wolf" ist. Meistens steht man ja schon "in Beziehung", gelegentlich sogar multipel.
Jeder Seemann - der sich ja ebenfalls dessen bewußt ist, daß er an einer größeren Unternehmung als nur an sich selbst beteiligt ist - wandelt daher den Sinnspruch folgendermaßen ab:
"Eine Hand für mich, die andere für das Schiff".
Eine Hand für das Schiff - ja, das scheint bei der Seefahrt schon wichtig. Aber eben auch eine Hand ganz für sich. Ohne Hand am Schiff ist der gemeinsamen Sache nicht gedient - ohne Hand für mich komme ich selbst zu Schaden - was am Ende auch allen Anderen schaden wird.
Damit sind wir ganz nahe an christliche Ethik geraten: "Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst. Das Wie Dich selbst wird zu gerne in edler Selbstverleugnung unter den Tisch fallen gelassen - dabei gilt hier genau wie bei der Seefahrt: Liebst Du Dich nicht selbst, kommen am Ende alle zu Schaden und keinem ist gedient.
Seeleute, Christen und Polyamore tun also möglicherweise gut daran, durchaus in verantwortungsbewußter Weise an sich selbst zu denken - nämlich in einer Weise, die ein "größeres Bild" mit einschließt.
Damit können wir als Polys auch dann gut fahren, wenn eben nicht alle perfekt aufgestellte Bedürfniskommunikation beherrschen, wenn Personen zum Polykül zählen, die nicht optimal für sich selbst sorgen können, wenn wir in unseren Reihen auch Pflegefälle, Senioren, Behinderte oder Kinder haben.
Eine Hand für mich - die andere für's Polykül.
Ich denke an mich - und verliere die Anderen nicht aus dem Blick.
Bei Poly bin ich nicht allein !