Ich erlebe es bei uns seit geraumer Zeit so, daß das Beziehungsmodell Polyamorie als Option in Partnerschaft/en möglichst nicht dogmatisiert werden sollte, wenn alle Beteiligten in diesen Partnerschaften glücklich werden sollen.
Wenn der Imperativ darin bestünde, daß jederzeit jede Form von neuer/weiterer Beziehung in Partnerschaften akzeptiert werden müßte (bzw eine Abwertung stattfände, wenn dies nicht rückhaltlos zugesprochen würde), ganz ehrlich - dann wäre ich weg, dann wären auch meine Liebsten raus.
De facto gibt es Lebensphasen, die viel Konzentration und Tiefe erfordern. In denen es alle Kraft braucht, auch nur eine Beziehung gut und sicher zu halten. In solchen Zeiten sollte genauso eine Phase des Nichtöffnens gegenüber Neuen möglich sein und ein solcher Wunsch ehrlich kommuniziert werden dürfen, wie in Phasen des Öffnungsdrangs ebendieser kommuniziert und gelebt werden durfte.
Ich persönlich (aber das muß nicht für jeden gelten) kann mir keine Beziehung vorstellen, in der nicht situativ entschieden wird, welches Lebensmodell gerade angebracht ist - sondern in der die Öffnung gegenüber neuen Personen als Grundrecht erlebt wird, ggf auch auf Kosten eines darunter leidenden Partners.
Meiner Ansicht nach ist man als Mensch in Beziehungen, die die Qualität von Lebenspartnerschaften besitzen sollen, auch gut damit beraten, keine Türen offenstehen zu lassen, die dem anderen vielleicht qualvollen Durchzugsschmerz verursachen. Sprich: In erster Linie erlebe ich mich als sicher und loyal gebundene Person; alles andere, was manchmal an Neuem/Zusätzlichem möglich ist, ist ein unendlich großes Geschenk meiner Partner und ein sehr sensibler Aushandlungsprozeß, jedes Mal aufs Neue. Nichts, was ich einklagen oder fordern könnte, sondern etwas, das als dauerhaft funktionales Konstrukt freiwillig von allen Mitwirkenden getragen werden muß und wird - und das ist eine menschliche Leistung, die tiefsten Respekt verlangt.
Wenn das aber mal nicht mehr geleistet werden kann oder geschenkt wird, dann ist das eben so. Ich sitze dann ganz sicher in keinem Käfig, sondern ich nehme mir die Freiheit, mich fokussiert für ein geschlosseneres Beziehungsmodell zu entscheiden - um das Wichtigste zu erhalten: Eine wundervolle Beziehung zu Mensch X, der auch durch 19373466 andere Leute nicht zu ersetzen wäre. Denn ganz ehrlich: Ohne neue Ergänzungsbeziehungen kann ich leben. Ohne meine wichtigsten Beziehungen, die bereits bestehen, nicht.
Quintessenz - in meinem Fall würde ich sogar (für viele kontraintuitiv ^^) sagen: Wenn mir ein poly-Partner nicht theoretisch gutgelaunt das Recht zugestehen wollen würde, für mich mit mir unbegrenzt monogam zu leben, wenn ich es in wackligen Phasen brauche - was ich auf Dauer allerdings zzt gar nicht real einfordern wollen würde, beware! - dann würde ich mich fragen, welche anderen meiner Bedürfnisse in eventuellen Zeiten der Instabilität noch ignoriert würden. Und dann wäre das kein denkbarer Partner für mich. Die Bedürfnisse der Beziehung (ja, die hat meiner Ansicht nach quasi ein Eigenleben und verdient Fürsorge und hat eigene Rechte ^^) und der einzelnen Beziehungspartner müssen im Einklang lebbar sein, und wenn poly nicht mehr paßt, dann wird's halt über Bord geschmissen. Völlig unsentimental.