Ich hoffe, es ist für den TE OK, wenn ich hier etwas ausführlicher zur mir gestellten Frage schreibe.
Zum Thema passt es ja schon, finde ich.
Nach meiner Erfahrung (und Beobachtung) gibt es bestimmte Themen im Leben, die mich (und auch andere Menschen) ganz besonders beschäftigen, weil sie mich spüren lassen, dass sie existenziell sind. Das sind sie, weil sie (über-)lebenswichtig sind. Hierzu gehören Frieden, Umweltschutz, soziales Miteinander, Liebe, ...
Beschäftige ich mich mit einem dieser Themen genauer und intensiv, weil mir im Leben z.B. polyamores Lieben begegnet, so ist dieses Empfinden derart stark, schön, verunsichernd und auch erstmal beängstigend, dass es - jedenfalls bei mir - zum Hinterfragen von Wünschen, Sehnsüchten, ... aber auch zum Hinterfragen von Erziehung, Gesellschaft und Normen führt...
Bleiben wir hier beim Thema Polyamorie.
Für mich persönlich ein ganz besonderes Ereignis im Leben, als ich bewusst annehmen konnte, zum ersten Mal tiefe Liebe zu zwei Männern zu empfinden UND diese dann auch zulassen zu können - zu leben.
Es gab bei mir tatsächlich einen Zeitpunkt, zu dem ich dieses Fühlen annehmen und auch genießen konnte und dieser besondere Moment ließ mich an genau diesem Tag denken:
"Das Leben und diese Welt ticken ganz anders, als ich das 37 Jahre (es war 2006
) lang wahrgenommen habe."
Ich fühlte mich vermutlich auch von daher so "angekommen", weil es ein LANGER Prozess der Auseinandersetzung war und ich am (damals gefühlten) "Ende" dieses Prozesses ein tiefes "Angenommen-sein" empfand und das in einem Kreis von Menschen, die auch darüber hinaus DIE Themen teilten, die mich sonst noch sehr beschäftigen.
Vermutlich ist DAS DIE Sehnsucht, die in polyamoren Verbindungen besonders deutlich wird.
Ich denke, wir alle sind suchend.
Die meisten Menschen wurden irgendwie erzogen und sozialisiert und als Kinder hatten wir vermutlich noch ein natürliches Gespür für das, was uns gut tut.
Erziehung beinhaltet leider oft Normierung, um Menschen der Gesellschaft anzupassen und nicht die Gesellschaft den menschlichen Bedürfnissen - was vermutlich gesünder wäre.
Es wird Macht ausgeübt. Gleichmachen findet selbst dort statt, wo es überhaupt nicht nötig - und auch nicht sinnvoll - ist, WEIL es nur dazu dient, Menschen durch Verbote (Beispiel: Religion) "klein" zu halten, wenn man z.B. Sexualität zur "Sünde" deklariert.
Legen wir mal diese Erkenntnis - oder dieses Empfinden von Sehnsucht - zugrunde, so KANN z.B. das polyamore Fühlen dazu führen, dass Anerzogenes, Normen und das "So ist das eben" zu bröckeln beginnt.
Ich persönlich hatte irgendwie das Gefühl, aus einer gewissen Art der Fremdbestimmung zu "erwachen" und... im GANZ persönlichen Hinterfragen FÜR MICH Bedeutsames zu verstehen.
IN dieser funktionierenden polyamoren Verbindung fand ich Halt und wahnsinnig viel Kraft.
Erst als diese NICHT mehr funktionierte, fiel ich - gefühlt - in ein großes Loch. Schließlich sind wir soziale Wesen und wenn DANN das wegbricht, was uns Sicherheit gab, dann... stehen wir da.
Menschen mit tiefen Sehnsüchten suchen doch "ihr Zuhause", womit ich jetzt DEN Raum meine, in dem sie sich angenommen - gesehen und gemeint fühlen und in dem sie ihre Themen mit anderen Menschen teilen... - Verbindung.
DIESE Sehnsucht machen sich dann LEIDER sehr oft Menschen zunutze, die diese Suchenden in neue "Normen" zu lenken versuchen und die mit neuen Dogmen neue Zwänge erzeugen KÖNNEN, WENN man sich diese Mechanismen nicht bewusst macht. Das Stichwort ist dann LEIDER wiedermal "Macht".
Ich lese gerne über die Themen, die mich beschäftigen.
Ich tausche mich gerne mit Menschen aus, die ähnlich denken und ähnliche Schwerpunkte im Leben haben.
Ich mag aber NICHT mit "Marionetten" kommunizieren, die fast ausschließlich irgendwelche Dozenten und Autoren zitieren, weil sie deren Thesen 1:1 zu ihren eigenen machen.
Gedanken der Anderen können bereichern - das eigene Denken hinterfragen lassen und zu Diskussionen anregen.
"Gurus" gegenüber, die glauben, dass sie besonders Weise sind und "die Welt retten können", bin ich SEHR kritisch.
Auch Menschen gegenüber, die mich "therapieren" wollen, ohne, dass ich sie darum gebeten hätte.
Und hier schließt sich mein - etwas ausschweifendes - Erklären MEINER Wahrnehmung in Richtung des eigentlichen Themas ZEGG:
Anfangs war da meinerseits große Neugier, als ich vor ca. 12 Jahren von der Existenz des ZEGG erfuhr.
Dann recherchierte ich und stieß natürlich auf den Namen des Gründers und setzte mich mit seinem Denken, der Kritik an ihm und einem Teil dieses Ganzen auseinander...
Was er wollte, zog mich magisch an. Viele meiner Sehnsüchte finden hier offensichtlich Gehör... auf den ersten Blick.
Ich lebe aber schon etwas länger und ein zweiter Blick hat sich bewährt - GERADE, wenn mich was derart fasziniert.
Auch nach diesem zweiten Blick ist da noch Interesse und doch bin ich kritisch.
Das darf ich sein!
Ich persönlich muss - und möchte! - MEINE persönliche "Weiterentwicklung", die nur ich selbst als solche bewerten kann, nicht beweisen müssen, indem ich meine Individualität neuen "Dogmen" unterordne.
Ich bin SEHR interessiert am Austausch. Ich finde das Thema von so manchen Workshop sehr spannend und ich vermute mal, dass vielleicht genau dort viele Menschen sind, mit denen ich gerne Zeit verbringen würde.
Dass ich mich in eine bestehende Gemeinschaft "einfügen" muss, wenn ich Diejenige bin, die dort hin fährt, ist klar.
WENN ich dort aber NUR dann in Kontakt kommen kann, wenn ich meine persönlichen Bedürfnisse (Rückzug, Intimsphäre) nicht achte, so passt es eben LEIDER nicht. Das gilt es dann rauszufinden und abzuwägen.
Jetzt KANN man natürlich sagen:
"Dein Bedürfnis resultiert aus zu bearbeitenden "Altlasten" (Ablehnung, Missbrauch, ...) und muss überwunden werden...."
WO ist dann aber ein Annehmen meiner "Schwächen" und die Berücksichtigung MEINES Tempos - MEINER inneren Bereitschaft - etwas "anzugehen"?
Natürlich ist hier wiederum die Frage spannend, ob ggf. nur das bewusste Überschreiten dieser Grenze heilsam sein könnte. "Was ist FÜR MICH machbar und welchen Weg mag ich einschlagen?"
(Darüber denke ich aktuell viel nach, AUCH, weil gerade wieder ein für mich - so, wie es sich zeigt - neues Thema innerhalb meiner Beziehung Raum beansprucht.)
Druck ist m.E.n. keine Lösung.
Wenn ich wieder anderen etwas beweisen muss, wo bleibt dann meine Sehnsucht nach innerer Freiheit?
Darf ich mich nur dann mit Themen auseinandersetzen, wenn ich das genauso tue, wie es die Anderen zu tun scheinen?
Sind spirituelle Menschen, die sich auf den ersten Blick "unabhängiger" von Beziehungen machen und diese Beziehungen ggf. dem eigenen Weg ihrer persönlichen "Entwicklung" unterordnen, "weiter"?
Wer bestimmt MEIN "Weiter", wenn ich unter Beobachtung stehe und die Sichtweise der Anderen annehme?
Ich gucke dann auf das Leben DIESER Anderen und frage mich ab und zu, ob ich ihre Werte SO teile, oder, ob da nicht Menschen MIR "den Weg weisen wollen", ohne ihren eigenen gefunden zu haben...
Wo ich nicht kritisch hinterfragen darf, drehe ich mich - gefühlt - nur im Kreis und rutsche von einem Zwang in den nächsten.
Auch "Selbstfindung" und "Spiritualität" wird von mir an DEM Punkt als Zwang empfunden, wo es zum "Beweis" von irgendwas mutiert. Das finde ich immer extrem schade, denn darin sehe ich EIGENTLICH große Chancen, wenn alles kritisch beleuchtet werden kann. Diese Freiheit des Wachsam-seins zu erhalten, finde ich ein GANZ(!) bedeutsames "Bei-mir-selbst-sein".
Ich wage mal, hier abschließend zu formulieren, wo ich die ganz große Gefahr sehe.
Sensible, tiefgründige, suchende Menschen sind leider extrem manipulierbar. Das machen sich immer wieder "kluge Köpfe" zunutze, die irgendeine Gesellschaft - einen Kreis - zu lenken versuchen. Wir haben es in der Geschichte gesehen und wer politisch interessiert ist, der beobachtet sich LEIDER immer wieder wiederholende Mechanismen...
Ich habe ein riesen Interesse an einem anderen Miteinander und würde mir sehr wünschen, dass diese Welt friedlicher, ökologischer und bzgl. der Liebe zu den Mitmenschen offener würde, ABER...
OHNE den Zwang, dass ich dieses Wollen gleich durch für mich nicht gewollte KÖRPERLICHE Nähe zu Fremden unter irgendeine Art von Beweis stellen muss.
Ich bin NICHT "weniger weit", wenn ich wachsam hinterfrage, was wo hinter steckt und meine eigene Verletzlichkeit im Auge behalte. Das Gegenteil dürfte hier DIESBEZÜGLICH der Fall sein.
So interessant Themen und Gemeinschaft auch ggf. sind. Wo kein Raum für Individualität gegeben ist, werde ich SEHR wachsam.
Ich vermute, dass NICHT die Leute, die das ZEGG gegründet haben, die Dozenten, die dort Interessantes berichten, oder die, die diese tolle Gemeinschaft seit vielen Jahren durch ihre Arbeit ermöglichen "mein Problem" sind, sondern DIE, die gute Gedanken zur einzigen Wahrheit überhöhen - warum auch immer sie das tun, denn es ist schon in sich ein tolles Projekt.
Wer es "zur Religion" macht, wird ihm m.E. nicht gerecht.
Und... ja... ich kann auch etwas schätzen und anerkennen, ohne dass es FÜR MICH ganz persönlich IN DIESER FORM passt. DAS werde ich irgendwann herausfinden, denke ich.
Wie und wann auch immer...
Sonst... suche ich eben weiter nach DEN Menschen, in deren Gegenwart ich das Gefühl wiederfinde, welches mich noch mehr "zu Hause" fühlen lässt.
Ich hoffe, ich konnte hier deutlich machen, wieso erstmal widersprüchliche Beiträge FÜR MICH doch ein Ganzes ergeben.
Liebe Grße in die Runde!