Ich bin so ein Kind. Zwar nannten meine Eltern es nicht polyamor (den Begriff gab es ja noch gar nicht), aber mein Vater hatte zwei Herzdamen, meine Mutter (seine Ehefrau) und eine weitere nur halb so alte Frau. Die drei sind auch gemeinsam in Urlaub gefahren, und es war alles konfliktfrei, soweit ich es mitbekommen habe. Mein Vater besuchte beide fast jeden Abend, über viele Jahre.
Ich war anfangs etwa 12 Jahre alt. Und hatte schon den ganzen "normalen" Werdegang von "Lieben" im Kopf samt Monogamie, "Fremdgehen", "Betrügen", "Treue" etc. Ich hatte meine Mutter ungläubig mehrmals darauf angesprochen, weshalb sie "dieses Spiel" mitspiele. Sie erklärte mir geduldig, dass es für sie sehr in Ordnung sei und sie die weitere Frau gerne möge und sich für beide freue. Die gesellschaftliche Prägung ließ mich am Verstand meiner Mutter zweifeln, und mich meinen Vater verachten.
Was mir gefehlt hatte, war das Verlassen dieses alternativlosen Konstrukts Monogamie - es gab irgendwie nichts anderes. Und im Licht dieses Konstrukts war das Verhalten der drei einfach unmöglich für mich. Wie toll wäre es gewesen, wenn sie mir hätten sagen können:
"Du, Monogamie ist nichts für uns. Wir haben uns für das Modell 'Polyamorie' entschieden. Da ist es dann so und so und so, und das ganze ist vielleicht sogar viel schöner als Monogamie."
Das hätte alles geändert, glaube ich.