Aufeinander eingehen!
Hallo zusammen,
ich möchte kurz meine Erfahrungen in dem Zusammenhang schildern.
Ich lebe glücklich mit zwei Männern zusammen. Dennoch ist es schon vorgekommen, dass es mich sehr verletzt hat, wenn einer der beiden eine Liebesbeziehung zu einer anderen Frau begonnen hat. Das Problem lag nicht auf der rationalen Ebene, denn natürlich möchte ich meinen Partnern die Möglichkeit einräumen, andere Menschen lieben zu können! Das ist für mich völlig klar und wichtig und natürlich bin ich auch bereit, mich mit mir, meinen Gefühlen und der Situation auseinander zu setzen!
Dennoch hab ich es auf der emotionalen Ebene schon manchmal als extreme Verletzung empfunden, wenn einer meiner Männer zu einer anderen Frau gegangen ist. Dabei hatte ich eigentlich keine "Verlustängste", also hab mir keine Gedanken gemacht, dass er vielleicht nicht wieder kommen könnte, sondern fühlte mich eher wertlos und austauschbar. An diesem Punkt habe ich richtig gemerkt, wie "mono" ich eigentlich sozialisiert bin ;-), also dass ich traurig darüber war, dass ich ihm nicht "reiche", dass er Dinge mit der anderen Frau teilt, die er mit mir nicht teilt, dass sie vielleicht Eigenschaften hat, die ich nicht habe etc. Ich hab meine "Exklusivitäten" vermisst, die ich dann plötzlich nicht mehr hatte.
Ich wollte aber trotzdem nicht, dass er die Beziehung zu der anderen Frau beendet, weil es mir rational elementar wichtig ist, dass er frei lieben kann. Trotzdem habe ich manchmal ziemlich gelitten und finde es auch jetzt manchmal noch schwer, mit meinem Emotionen angemessen umzugehen.
Was mir sehr geholfen hat, ist, dass ich viel mit meinen Männern darüber gesprochen habe und dass es auch möglich war, mal eine "Pause" zu machen, in der er seine Freundin mal eine Woche nicht gesehen hat, in der wir viel Zeit hatten, uns mit unseren Gefühlen und Wünschen auseinander zu setzen. Das hat mir wieder Sicherheit und neue Kraft gegeben, mich weiter mit meinen Gefühlen auseinander zu setzen. Ich sehe Polyamory als ständigen Entwicklungs-Prozess, in dem man an sich arbeitet und über sich hinaus wächst :-).
Viele "Polys" sagen von sich, sie wären "eifersuchtsfrei". Das kann ich nicht verstehen, denn wenn ich genau hinsehe, gestatten einige von ihnen sich kaum, ihre eigenen Gefühle zuzulassen und offen mit ihrem/ ihrer Partner_in darüber zu reden, denn "wir sind ja alle so poly". Klar ist es schön, wenn (beide) Partner_innen sich immer zugestehen können, auch andere Liebesbeziehungen zu pflegen. Aber in der Realtität kann und darf das auch mal schwierig sein. Es sollte sich keine/r emotional "zu Grunde richten", nur um von sich sagen zu können, dass er/sie "poly" lebt.
Ich finde es wichtig, dass Polyamory ein gemeinsamer persönlicher Entwicklungsprozess ist, der nicht immer geradlinig verlaufen muss. Die Partner_innen sollten aufeinander eingehen, füreinander da sein, miteinander fühlen. Und wenn es gar zu krass wird, finde ich wichtig, dass es möglich ist, eine "Pause" zu machen, um seine Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse zu überdenken, neu zu ordnen, zu formulieren, gemeinsam einen Weg zu finden.
Idealerweise kann das die (neue) "Liebesbeziehung" auch nachvollziehen und mit Verständnis/ Unterstützung positiv und stabilisierend wirken, in der Vertrauen hergestellt werden kann.
Ich denke schon, dass ich "poly" bin in dem Sinne, dass ich (rational) dieses Lebensmodell für am wünschenswertesten halte. Aber es gibt auch manchmal (vor allem emotional) Mono-Anteile in mir, die an mancher "Exklusivität" hängen, die auch ein Teil von mir sind und die ich nicht einfach verdrängen kann. Ich muss mich mit ihnen auseinander setzen. Vielleicht brauchen sie auch manchmal ihren Raum, damit ich in meiner Traurigkeit nicht "zu Grunde gehe". Ich finde wichtig, dass mein Partner diese (mono-) Bedürfnisse in mir anerkennt und versucht darauf einzugehen, denn so kann ich Sicherheit/ Vertrauen gewinnen, die/ das diese Bedürfnisse immer kleiner werden lässt :-)...